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Buchhandlung Zum Wetzstein

thomas mann, rené schickele
jahre des unmuts
thomas manns briefwechsel mit rené schickele 1930 – 1940
Klostermann Verlag, 416 Seiten, € [D] 39,– | € [A] 40,10

rené schickele
das wort hat einen neuen sinn
prosa, lyrik, essays, briefe
Mitteldeutscher Verlag, 144 Seiten, € [D] 14,95 | € [A] 15,40



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Sein Haus in Badenweiler verließ René Schickele 1932. Er sah eine »mehrjährige Sonnenfinsternis« heraufziehen. Auch Thomas Mann sah diese Verdunkelung und ging 1933 ins Exil. Die beiden Herren hatten nicht viel Gemeinsames, weder im Literarischen, Privaten noch Politischen. Und doch verband sie eine Jahre währende, wenn auch schwierige und fragile Freundschaft. Der Briefwechsel gibt Zeugnis vom regen gedanklichen Austausch, der nur im Vordergrund ein Ringen um das Literarische war. Vielmehr ist er ein Dokument der politischen Gefahren, die beider Alltag bestimmten. Ein Dokument von Furcht und tiefer Sorge um das Schicksal des jeweils anderen. Die hervorragende Einführung, die ausführlichen Anmerkungen, umfassenden Dokumentationen und zahlreichen Verweise werden in diesem Buch zur wahren Schatzkammer für den Leser, um aus dem Leben zweier so unterschiedlicher Autoren in den sogenannten Jahren des Unmuts zu erfahren. Gestorben ist René Schickele 1940, kurz bevor ein Schiff ihn ins amerikanische Exil hätte bringen sollen. Von ihm geblieben sind die Texte der jugendlichen Rebellion, des Expressionismus, vor allem aber die der himmlischen Landschaften, seiner Heimat, die zwischen Deutschland und Frankreich, zwischen Schwarzwald und Vogesen lag. In dem kleinen, hübsch gestalteten Bändchen Das Wort hat einen neuen Sinn findet sich von diesen Texten eine erlesene Auswahl. stern k

käthe vordtriede »es gibt zeiten, in denen man welkt«
mein leben in deutschland vor und nach 1933
Libelle Verlag, 280 Seiten, € [D] 19,95 | € [A] 20,60
 
käthe vordtriede »mir ist es noch wie ein traum, dass mir diese abenteuerliche flucht gelang …«
Libelle Verlag, 400 Seiten, € [D] 22,50 | € [A] 23,20



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Straßennamen bergen häufig eine Geschichte, die wir nicht kennen oder vergessen haben. So verkümmern die Namen lediglich zu Richtungen im Alltag, in denen das Ziel entscheidet, nicht aber die Erinnerung. In Freiburg gibt es eine Straße, die nach Käthe Vordtriede benannt wurde. Dies hätte auch im schweizerischen Kreuzlingen oder in New York geschehen können, den Stationen ihres Exils. Das Freiburger Straßenschild weist in ein zu Unrecht vergessenes Leben im nationalsozialistischen Deutschland, in dem die Luft zu atmen immer dünner und der Bewegungsradius einer jüdischen, sozialdemokratischen Journalistin und alleinerziehenden Mutter immer enger wurde. Käthe Vordtriede starb 1964 verarmt in New York. Es gibt Zeiten, in denen man welkt ist die Autobiografie dieser hellsichtigen und bemerkenswerten Frau. Sie entstand im Zusammenhang eines Preisausschreibens der Harvard University – geschrieben noch im Schweizer Exil –, immer auf der Suche nach Erklärungen für das gesellschaftliche Zustandekommen dieser menschenverachtenden Sackgasse. In dem Band Mir ist es noch wie ein Traum, dass mir diese abenteuerliche Flucht gelang … sind die Briefe an ihren Sohn versammelt: von 1938, noch aus Freiburg, bis 1964. Persönliches geht hier mit Politischem einher, Verzweiflung mit Mut, Resignation mit Hoffnung, und gibt uns einen tiefen Einblick in jenen dunkelsten Abschnitt deutscher Geschichte. stern k

joseph roth, stefan zweig »jede freundschaft mit mir ist verderblich«
briefwechsel 1927 – 1938
Wallstein Verlag, 624 Seiten, € [D] 39,90 | € [A] 41,10
 
stefan zweig und sein freundeskreis
sein letztes adressbuch 1940 – 1942
Hentrich & Hentrich Verlag, 232 Seiten, € [D] 27,90 | € [A] 28,70



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Am 23.10.1930 schreibt der »heilige Trinker« Joseph Roth, der sich permanent in Geldsorgen befand, an den auf dem Höhepunkt seines Schaffens angelangten großbürgerlichen Stefan Zweig: »Wirkung hat im Grunde doch nur das, was die Freundschaft tut.« Und Stefan Zweig an Joseph Roth im April und im Mai 1936, jeweils aus London: »Roth, halten Sie sich jetzt zusammen, wir brauchen Sie …« Und: »Meine Witterung für politisches Unheil quält mich wie ein entzündeter Nerv. Ich habe Angst um Österreich und der Fall Österreichs wäre auch innerlich unser Untergang.« Im Ringen um den Widerstand gegen den Nationalsozialismus schieden sich ihre Geister. Zweig glaubte an die Vernunft, wollte nur durch sein literarisches Werk verstanden werden, Roth sah sich als Kämpfer für eine intellektuelle, vor allem engagierte Publizistik. Der wissenschaftlich hervorragend edierte Briefwechsel 1927 – 1938, Jede Freundschaft mit mir ist verderblich, zeigt neben diesem politischen Rahmen jedoch vor allem auch die gegenseitige und außerordentlich lesenswerte Bewunderung des Charakters und der Literatur des jeweils anderen. Stefan Zweig, der seit 1934 im Exil lebte, hatte, wie er bereits 1933 anmerkte, »die stärkste Abneigung, Emigrant zu werden. … Emigrantentum sei gefährlich, es mache die Zurückgebliebenen zu Geiseln …«. In seinem letzten Adressbuch, hinterlassen in Brasilien, war Joseph Roth nicht mehr aufgeführt, denn Roth war bereits 1939 in Paris verstorben. Stefan Zweig und sein Freundeskreis ist ein äußerst beredtes Zeugnis von der Fremde, ein Zeugnis von weit gespannten Kontakten und Beziehungen im Freundeskreis um die Familie Zweig. Hier liegt es in Form einer umfassend kommentierten, mit Kurzporträts versehenen, liebevoll und sorgfältig gestalteten Faksimile-Ausgabe vor. stern k

thomas blubacher: die vielen leben der ruth landshoff-yorck
Insel Verlag, 365 Seiten, € [D] 24,95 | € [A] 25,70
 
ruth landshoff-yorck: das mädchen mit wenig ps
Aviva Verlag, 224 Seiten, € [D] 18,90 | € [A] 19,40



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Ruth Landshoff-Yorck war zeitlebens auf der Suche nach Freiheit, nach ihrem eigenen Stil, weg vom bürgerlich jüdischen Elternhaus, in das sie 1904 als Ruth Levy in Berlin-Schöneberg geboren wurde. Zwar sabotierte sie dessen schützenden Beistand, war aber intelligent genug, ihn auch zu nutzen. Die glamouröse Nichte des Verlegers Samuel Fischer bewegte sich im Berlin der 20er-Jahre als androgyne Schönheit auf allen möglichen Bühnen. Sie spielte im Film und im Theater, sie schrieb Feuilletons und Romane, später übersetzte und publizierte sie. 1933, nachdem sie auf allen Festen mit allen Größen jener aufregendsten Jahre Berlins getanzt hatte, emigrierte sie über Frankreich nach England in die Schweiz und lebte ab 1937 bis zu ihrem Tod 1966 in New York. Dort schrieb sie fürs Theater und wurde in der Kunstszene erneut zu einer festen Größe, beneidet um ihre Vergangenheit, in der für sie vieles bereits selbstverständlich gewesen war, was im prüden New York der damaligen Zeit noch mühsam erkämpft werden musste. Thomas Blubacher hat, beeindruckend sorgfältig recherchiert, höchst unterhaltsam Die vielen Leben der Ruth Landshoff-Yorck in dieser Biografie abgebildet. Und würdigt neben allem Glamour die große Leistung dieser auch politisch äußerst furchtlosen Frau, dieser »snobistischen Muse und androgynen Stilikone, amüsanten Feuilletonistin, engagierten Antifaschistin und verkannten Avantgarde-Literatin«. Vor diesem Hintergrund lesen sich in Das Mädchen mit wenig PS Ruth Landshoff-Yorcks feuilletonistische Texte und Zeitungsartikel aus den Zwanziger Jahren besonders aufschlussreich und anregend. Gerade weil sie frisch und unbekümmert daherkommen, amüsant, gleichzeitig bissig und von bestechendem Esprit sind, fangen sie jene Zeit so gut für uns ein, jene Zeit, die zugleich freizügig, abenteuerlich und gefährlich war. stern k

walter benjamin: einbahnstrasse
Suhrkamp Verlag, 125 Seiten, € [D] 11,80 | € [A] 12,20
 
gretel adorno, walter benjamin: briefwechsel 1930 – 1940
Suhrkamp Verlag, 433 Seiten, € [D] 26, 90 | € [A] 27,70



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»Freiburger Münster. – Mit dem eigensten Heimatgefühl einer Stadt verbindet sich für ihren Bewohner – ja vielleicht noch für den verweilenden Reisenden in der Erinnerung – der Ton und der Abstand, mit dem der Schlag ihrer Turmuhren anhebt.« »Dahingegen wird die Erwartung, dass es so nicht mehr weitergehen könne, eines Tages sich darüber belehrt finden, dass es für das Leiden des Einzelnen wie der Gemeinschaften nur eine Grenze, über die hinaus es nicht mehr weiter geht, gibt: die Vernichtung.« Eingebettet in das Mahlwerk der Geschichte, zwischen dem Ersten Weltkrieg und den frühen Verdunkelungen des Nationalsozialismus, war Walter Benjamin sich gewiss, »dass es mit der Kunst des Erzählens zu Ende geht«, da die epische Seite der Wahrheit im Begriff sei auszusterben. Notwendig wurde also die kleine Form zu seiner Form des Schreibens. Und so ist Einbahnstraße eine von philosophischen Gedanken beherrschte Prosa, eine Konstellation von Aphorismen, Träumen und von Scherzen. Denkbilder gehen den Gegenständen des Alltags nach, durchleuchten sie und werden auf diese Weise zum Spiegelbild der Moderne, festgehalten in einzelnen Momenten. Benjamins Weg endete im Selbstmord. Es ist nicht zuletzt Gretel Adorno zu verdanken, dass sein umfängliches Gesamtwerk gerettet wurde. Der Briefwechsel 1930 – 1940 zwischen diesen beiden ist getragen von Sorge um den anderen, aber auch von Plänen und gegenseitiger Aufmunterung. Er ist Zeugnis einer sehr innigen und besonderen Freundschaft, die in der Emigration, schreibend, letzte Hoffnung gab. Nur wenige Monate vor seinem Tod formulierte Benjamin, beherrscht von Zweifeln und sich der Ausweglosigkeit seines Daseins bewusst: »Wir müssen sehen, unser Bestes in die Briefe zu legen; denn nichts deutet darauf hin, dass der Augenblick unseres Wiedersehens nahe ist.« stern k

durs grünbein: die jahre im zoo
Suhrkamp Verlag, 400 Seiten, € [D] 24,95 | € [A] 25,70
 
durs grünbein: cyrano oder die rückkehr vom mond
Suhrkamp Verlag, 150 Seiten, € [D] 20,– | € [A] 20,60



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In den 50er-Jahren tauchte in den Kinderzimmern ein sogenannter Bildbetrachter, das Plastiskop, Gucki oder, wie er in der DDR genannt wurde, Telebubi auf. Gegen das Licht gehalten blickte man durch ein kleines Sichtfeld; der Plastikknopf auf der Oberseite des Rahmens reihte dabei Klick um Klick Bilder von unterschiedlichen Sehenswürdigkeiten hintereinander. Jene Poetik des Klicks, hinein in die Erinnerung, ist das Sichtfeld von Durs Grünbein in Die Jahre im Zoo, im Untertitel Kaleidoskop genannt. Kaleidoskop bedeutet »Schöne Formen sehen«. In seinem jüngsten Werk spannt der Dichter einen weiten, wunderbar geschwungenen Bogen, der von 1900 bis ins Jahr der Wende 1989 reicht: Jeweils in sich abgeschlossene Bilder formen sich in lyrischen Passagen, Erzählungen und fotografis schen Ergänzungen zur biografischen Selbstvergewisserung des in Dresden geborenen Autors. Hellerau, die Gartenstadt am Rande Dresdens, Station für Kafka, Rilke, Benn und viele andere, wird prägender Ausgangspunkt für Grünbeins eigene Kindheit, das Erwachsenwerden in der DDR. In der ihn kennzeichnenden schönen Sprache reihen sich das Trauma des zerstörten Dresden, Lektüren, Lebensreformen, Leid(enschaft), Erinnerungsfetzen an Familie, Schlafhöhlen, die durch Leuchttropfen des Transistorradios erhellt wurden, und Indianerspiele im Kalten Krieg aneinander. Klick für Klick. Es heißt, nur noch Verliebte und Astronomen sehen den Mond an. Kinder vielleicht noch. Cyrano de Bergeracs Reise zum Mond von 1659 nimmt Durs Grünbein in dem Band Cyrano oder Die Rückkehr vom Mond zum Anlass seines eigenen lyrischen Mondspazierganges, holt sich den Mond zögernd, sehnend, denkend zurück und verbindet dabei Wissenschaft, Witz, Sehnsucht und die Kunst der Poesie auf seine ganz besondere, ihn auszeichnende Weise.« stern k